Fuldaer Informationsdienst für angewandte Gesundheitswissenschaften und klinische Praxis

Kapselmuster am Schultergelenk

[erstellt 09/Apr/2008] [aktualisiert 22/Mrz/2010]

Frage

Welche Evidenz kann der Literatur für die Existenz eines Kapselmusters am Schultergelenk entnommen werden?

Hintergrund

Der Begriff Kapselmuster (capsular pattern) bezeichnet ein als typisch angesehenes, hierarchisches Muster von Bewegungseinschränkungen an den peripheren Gelenken, welches üblicherweise als Befund einer klinischen Untersuchung für die Differentialdiagnostik herangezogen wird. Das Kapselmuster für das Schultergelenk wird im Allgemeinen mit AR > ABD > IR angegeben, d.h. einer sukzessiven Einschränkung der passiven glenohumeralen Bewegungsmöglichkeiten zunächst in die Außenrotation, dann in die Abduktion und Innenrotation.

Antwort

Die Studienlage zur Evidenz für die Existenz eines Kapselmusters an der Schulter ist, auch aus methodischer Hinsicht, sehr beschränkt. Insbesondere die Tatsache, dass die im Folgenden beschriebenen Studien jeweils mit einer geringen Anzahl von Teilnehmenden durchgeführt wurden, sollte bei der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden.

Rundquist et al. [1] haben im Jahr 2003 eine deskriptive Untersuchung vorgelegt, in der sie die dreidimensionalen aktiven Bewegungsmuster der Schulter mittels eines kinematischen Messverfahrens (elektomagnetisches Trackingsystem Fastrak der Firma Polhemus) an zehn gesunden (weiblich: 9, männlich: 1) und zehn an Frozen Shoulder erkrankten Patientinnen und Patient (weiblich: 9, männlich: 1) miteinander vergleichen. Ziel der Studie war es unter anderem zu zeigen, ob ein charakteristisches Kapselmuster bei Vorliegen einer Frozen Shoulder identifiziert werden kann. Die Ergebnisse hinsichtlich des Vorhandenseins eines Kapselmusters zeigen, dass sieben (von zehn) der erkrankten Studienteilnehmenden das charakteristische, von Cyriax propagierte, Kapselmuster bei adduziertem und vier Personen (von zehn) bei möglichst nahe an 90° abduziertem Arm aufweisen.

Derselbe Autor [2] hat 2004 eine weitere Studie zu Mustern von Bewegungseinschränkungen an der Schulter veröffentlicht. Ihren Ausgang findet die Untersuchung in der Hypothese, dass betroffene Schultergelenke andere Muster von Bewegungseinschränkungen als nicht betroffene Schultern zeigen. Das Ziel der Untersuchung war es nachzuweisen, ob sich an den idiopathisch bewegungseingeschränkten Schultergelenken von 25 Teilnehmenden (weiblich: 22, männlich: 3) ein konsistentes Muster zeigt. Hierfür wurden die glenohumeralen Bewegungseinschränkungen mittels eines kinematischen Messinstrumentes (elektomagnetisches Trackingsystem Fastrak der Firma Polhemus) erfasst. Die betroffenen Schultergelenke zeigten bei adduziertem Arm fünf der sechs potentiell möglichen Kapselmuster, bei abduziertem Arm drei von sechs. An den betroffenen Schultergelenken konnte bei zwei Personen kein Kapselmuster festgestellt werden. Ein statistisch signifikanter Unterschied zeigte sich im Vergleich der betroffenen und nicht betroffenen Schultern bei adduziertem Arm. Bei 14 von 25 der untersuchten bewegungseingeschränkten Schultern lag das Muster Außenrotation, Abduktion, Innenrotation vor. Bei abduziertem Arm war bei 23 Fällen das Innenrotationsvermögen die am stärksten eingeschränkte Bewegungsrichtung.

Rundquist et al. kommen in beiden Untersuchungen zu dem Schluss, dass bei idiopathischer Schultersteife bzw. Frozen Shoulder kein durchgängig konsistentes Kapselmuster vorhanden ist [1; 2].

Mitsch et al. [3] haben in ihrer Studie aus 2004 die passive glenohumerale Gelenkbeweglichkeit von 30 Teilnehmenden (weiblich: 20, männlich: 10) mit Frozen Shoulder mittels Gonio- und Inclinometer gemessen. Ziel der Untersuchung war es herauszufinden, ob an den erkrankten Schultern ein messbares, charakteristisches Kapselmuster identifiziert werden konnte. Die Messungen ergaben, dass die Außenrotation der betroffenen Schultergelenke die am häufigsten eingeschränkte Bewegungsrichtung ist. Die Unterschiede in den Limitationen von Innenrotation und Abduktion waren jedoch nicht maßgeblich unterschiedlich. Auch Mitsch et al. äußern aufgrund ihrer Ergebnisse Zweifel an der Annahme, dass alle Patienten, die an Frozen Shoulder erkrankt sind, ein konsistentes, charakteristisches Kapselmuster zeigen.

Zusammenfassend kann geschlussfolgert werden, dass aufgrund der zur Verfügung stehenden Studienlage die Existenz eines konsistenten, typischen Kapselmusters bei einer manifestierten Frozen Shoulder Symptomatik nicht belegt ist.

Literatur

  1. Rundquist P.J.; Anderson D.D.; Guanche C.A.; Ludewig P.M.: Shoulder kinematics in subjects with frozen shoulder. Archives of Physical Medicine and Rehabilitation 2003, 84 (10): 1473-1479.
  2. Rundquist P.J.; Ludewig P.M.: Patterns of motion loss in subjects with idiopathic loss of shoulder range of motion. Clinical Biomechanics 2004, 19 (8): 810-818.
  3. Mitsch J.; Casey J.; McKinnis R.; Kegerreis S.; Stikeleather J.: Investigation of a consistent pattern of motion restriction in patients with adhesive capsulitis. Journal of Manual & Manipulative Therapy 2004, 12 (3): 153-159.

Suchanfrage in Datenbanken/Informationsquellen

EMBASE/MEDLINE, Cochrane Library, Physiotherapy Evidence Database (PEDro), Center for Evidence Based Physiotherapy (CEBP)

Verwendete Suchbegriffe

capsular pattern, joint capsule, shoulder

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