Fuldaer Informationsdienst für angewandte Gesundheitswissenschaften und klinische Praxis

Wechseldrucksysteme bei Dekubitalulzera

[erstellt 29/Sep/2008] [aktualisiert 24/Mrz/2010]

Frage

Welche Wechseldrucksysteme sind bei Patientinnen und Patienten mit Dekubitalgeschwüren wirksam?

Hintergrund

Dekubitalulzera zählen zu den häufigsten Komplikationen insbesondere bei der Versorgung bettlägeriger oder in ihrer Mobilität eingeschränkter Patientinnen und Patienten. Die Behandlung von Druckgeschwüren ist zeit- und personalaufwendig, kostenintensiv und für die Betroffenen zum Teil mit erheblichen Schmerzen verbunden. Das Hauptaugenmerk bei der medizinischen und pflegerischen Versorgung von Risikopersonen muss daher auf die Prävention von Druckgeschwüren gerichtet sein. Zu diesem Zweck stehen unterschiedliche Optionen zur Verfügung [1]:

Matratzen
nehmen das Körpergewicht des/der Patienten/in auf. In der Praxis kommen Matratzen aus unterschiedlichem Material (wie etwa visco-elastische Schaumstoffe) zur druckentlastenden Lagerung zum Einsatz. Matratzen können nach ihrer Bauart unterschieden werden: die Oberflächenstruktur kann aus einem großen Stück Schaumstoff bestehen oder in Blöcke zerteilt sein. Zudem kommen Matratzen zum Einsatz, die mit Hilfe eines mit Luft, Gel oder anderen Flüssigkeiten befüllten Kammer- oder Zellsystems eine Druckverteilung über eine vergrößerte Fläche erreichen sollen (sog. Lowtech-Systeme). Zu diesen Kammersystemen zählen auch Wechseldruckmatratzen. Diese sollen durch das intervallgesteuerte Befüllen der Kammern mit oder das Ablassen von Luft für eine regelmäßige Druckentlastung der verschiedenen Körperregionen sorgen (sog. Hightech-Systeme).
Lagerungshilfsmittel
sollen durch Polsterung oder Positionierung des/der Patienten/in für eine druckentlastende Lagerung sorgen.
Lagerung
wie das regelmäßige Umlagern des/der Patienten/in sollen besonders belastete Körperregionen (z.B. knöchern prominente Regionen wie der trochantäre Oberschenkelbereich oder die Ferse) entlastet werden.

Antwort

Im Folgenden werden Ergebnisse aus Publikationen vorgestellt, die Rückgriff auf die Ergebnisse aus anderen Studien nehmen und diese zusammenfassen (Leitlinien und systematische Übersichtsarbeiten). Die Auswahl der hier vorgestellten Ergebnisse beschränkt sich auf die Wirksamkeit von Wechseldrucksystemen sowie ausgewählte Präventivstrategien jenseits technischer Lagerungsmittel.

Eine Leitlinie des englischen National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE) aus 2004 verweist bei einem Vergleich der präventiven Wirksamkeit zwischen Hightech-Interventionen (z.B. Wechseldrucksystemen) und Lowtech-Interventionen (z.B. Schaumstoffe) auf die unzureichende Studienlage [2: 38]. Die Leitliniengruppe formuliert aus Sicht der Guten Praxis, dass den Hightech-Systemen Vorzug zu geben ist, insbesondere für Patientinnen und Patienten,

Zugleich verweisen die Autoren auf den Umstand, dass kein zuverlässiges Assessment-Instrument vorliegt, dessen Anwendung eine Aussage zur Indikationsstellung für oder gegen ein – in der Regel sehr viel teureres – Hightech-System zulässt. Diese Einschätzung müsse auf Grundlage einer einzelfallbezogenen Risikobewertung mittels zuverlässiger Assessment-Instrumente erfolgen.

Auch auf einen Expertenkonsensus geht die Empfehlung zurück, dass Patientinnen und Patienten, die bereits mit druckentlastenden Systemen versorgt sind, in Abhängigkeit von Merkmalen wie Hautbild, Allgemeinzustand sowie Komfortempfinden, Lagewechsel erfahren sollen [2].

McInnes et al. [3] haben insgesamt 52 klinische Studien analysiert, von denen acht Studien einen Vergleich zu Wechseldrucksysteme mit Systemen mit konstanten Druckverhältnissen führen. Die gepoolte Zusammenfassung der Ergebnisse (Metaanalyse) in dem Cochrane-Review zeigte keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen Wechseldrucksystemen und Systemen mit konstantem Druck. Diese Ergebnisse korrespondieren mit denen, die in der Leitlinie von NICE dargestellt werden. Die Autoren machen deutlich, dass die Evidenzlage zur Wirksamkeit von Wechseldrucksystemen insgesamt als ungenügend zu bezeichnen ist.

Vanderwee et al. [4] kommen in ihrer Übersichtsarbeit aus 2008 zu ähnlichen Ergebnissen wie McInnes et al. Auch diese Autorengruppe geht aufgrund der begrenzten Studienlage von einer Überlegenheit der Wechseldrucksysteme gegenüber konventionellen Krankenhausmatratzen aus, kommt aber zu dem Schluss, dass die Durchführung groß angelegter, methodisch hochwertiger Studien notwendig sei, um offene Forschungsfragen zu klären.

Grundsätzlich ist die Anwendung von Lagerungshilfsmitteln bei der Dekubitusprophylaxe auf Grundlage einer fallbezogenen Beurteilung durch Pflegende zu entscheiden. Im dem noch nicht aktualisierten Expertenstandard zur Dekubitusprophylaxe in der Pflege wird berichtet [1: 57]: „Pflegende sind angesichts der wenig evidenten Literaturlage bei der Auswahl sinnvoller druckreduzierender Hilfsmittel gefordert, klinische Bedingungen und Nutzen der entsprechenden Hilfsmittel abzuwägen“. Zudem soll sich die Auswahl von Lagerungshilfsmitteln an folgenden Kriterien orientieren [1: 43]:

Im Expertenstandard wird empfohlen, auf die Verwendung von Fellen und Watteverbänden zu Lagerungszwecken zu verzichten.

Reddy et al. [5] haben in ihrem systematischen Review aus dem Jahr 2006 die Wirksamkeit unterschiedlicher Strategien zur Vermeidung von Druckgeschwüren miteinander verglichen. Es wurden 59 klinische Studien mit insgesamt 13.845 Teilnehmenden analysiert. Zu Strategien der Umlagerung von Patienten/innen (dem sog. Repositioning) führen sie aus, dass die dekubituspräventive Wirkung bei einem Lagerungsintervall von vier Stunden Dauer unter Verwendung spezialisierter Schaumstoffmatratzen statistisch signifikant seltener zur Entwicklung eines Druckgeschwürs führt als ein zweistündiger Lagewechsel unter Verwendung herkömmlicher Krankenhausmatratzen (auf Grundlage einer randomisierten kontrollierten Studie (838 Studienteilnehmende) aus 2005 mit suboptimaler methodischer Qualität). Reddy et al. berichten auch die Ergebnisse einer Studie (RCT mit sehr guter methodischer Qualität) aus 2004 mit insgesamt 46 Teilnehmenden, in der keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen einer Lagerung in 30° Seitenlage (laterale Tilt-Position) und einer Lagerung in 90° Seitenlage festgestellt wurde.

Literatur

  1. Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege: Expertenstandard Dekubitusprophylaxe in der Pflege. 2. Auflage mit aktualisierter Literaturstudie (1999 - 2002). Schriftenreihe des Deutschen Netzwerks für Qualitätsentwicklung in der Pflege: Osnabrück 2004.
  2. National Institute for Clinical Excellence: Clinical Practice Guidelines – The use of pressure-relieving devices (beds, mattresses and overlays) for the prevention of pressure ulcers in primary and secondary care. Royal College of Nursing, Guidelines commissioned by NICE: London 2004. Abrufbar unter: http://www.nice.org.uk/nicemedia/pdf/cg007fullguideline.pdf (Zugriff: 24.03.2010).
  3. McInnes E.; Cullum N.A.; Bell-Syer S.E.M.; Dumville J.C.: Support surfaces for pressure ulcer prevention. Cochrane Database of Systematic Reviews 2008 (4): 1-82.
  4. Vanderwee K.; Grypdonck M.; Defloor T.: Alternating pressure air mattresses as prevention for pressure ulcers: a literature review. International Journal of Nursing Studies 2008, 45 (5): 784-801.
  5. Reddy M.; Gill S.S.; Rochon P.A.: Preventing pressure ulcers: a systematic review. JAMA 2006, 296 (8): 974-984.

Suchanfrage in Datenbanken/Informationsquellen

Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP), Arbeitsgemeinschaft der Medizinischen Wissenschaftlichen Fachgesellschaften (AWMF), National Clearinghouse Guidelines, CINAHL, Cochrane Library

Verwendete Suchbegriffe

decubitus, pressure ulcer, pressure sore, bedsore, pressure relieving devices, bed, mattress

Haftungsausschluss

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http://www.findax.de/downloads/wechseldrucksysteme-dekubitalulzera.pdf

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