Fuldaer Informationsdienst für angewandte Gesundheitswissenschaften und klinische Praxis
[erstellt 30/Nov/2009]
Sind Klopfungen bzw. Klatschungen effektive Maßnahmen für die Pneumonieprophylaxe, auch für Patientinnen und Patienten a) mit Cystischer Fibrose (Mukoviszidose) und b) mit Chronischer Bronchitis?
Pneumonien resultieren aus einer mikrobiellen Infektion des Lungenparenchyms und können anhand des Kriteriums Herkunft in zwei Hauptgruppen unterschieden werden. Ambulant erworbene Pneumonien (engl. CAP: community acquired pneumonia) weisen in Deutschland eine Häufigkeit von 400.000 bis 600.000 Erkrankungsfälle pro Jahr auf, von denen etwa ein Drittel stationär behandlungsbedürftig wird [1]. Im Vergleich dazu nehmen nosokomiale Pneumonien, Schätzungen auf Grundlage der Datenbasis aus dem Jahre 2006 zufolge, mit einer Häufigkeit von 60.000 Erkrankungen pro Jahr eine quantitativ weitaus geringere Bedeutung ein [2]. Pneumonien stellen eine häufige Komplikation für durch andere Erkrankungen vorbelastete Patientinnen und Patienten dar und zeigen in bis zu 14% der Fälle einen tödlichen Verlauf [1].
Der Vermeidung von Pneumonien wird eine besondere Aufmerksamkeit zuteil. Es stehen dabei unterschiedliche, sowohl pharmakologische als auch nicht pharmakologische, Strategien zur Pneumonieprophylaxe zur Verfügung. Zu letzteren zählen angeleitete oder selbstständig durchgeführte Atemübungen, aktiv oder passiv durchgeführte Lagewechsel des Patienten und der Patientin sowie mechanische oder manuell durchgeführte Maßnahmen wie etwa Klopfungen oder Klatschungen. Diese sollen durch externe Erschütterungen der Thoraxwand eine Sekretmobilisation mit dem Ziel erreichen, dem Betroffenen ein leichteres Abhusten zu ermöglichen und eine verbesserte Ventilation der Lunge zu erzielen.
Durch die systematische Literaturrecherche in den Datenbanken CINAHL, Cochrane Library, EMBASE/MEDLINE konnte keine Publikation identifiziert werden, die die Wirksamkeit isolierter Maßnahmen wie Klopfungen oder Klatschungen auf der Thoraxwand zur Pneumonieprophylaxe unabhängig von der Gegenwart einer Grunderkrankung (wie etwa Cystische Fibrose bei Kindern oder Chronische Bronchitis bei Erwachsenen) untersucht. Die einschlägige Forschungsliteratur widmet sich zumeist einer Kombination atemtherapeutischer Maßnahmen, die als Gesamtintervention (bezeichnet als Chest Physiotherapy) appliziert werden. Teil dieses Maßnahmenbündels sind oftmals auch manuelle Thoraxerschütterungen mittels Klopfungen oder Klatschungen.
Durch die Erweiterung der Suchstrategie unter Berücksichtigung der Erkrankungen Cystische Fibrose und Chronische Bronchitis wurden systematische Übersichtsarbeiten insbesondere zur Effektivität physiotherapeutischer Interventionen auf die Sekretmobilisation identifiziert. In diesen Publikationen wurden unter anderem die Eignung manuell durchgeführter Erschütterungen (z.B. über Klopfungen) bzw. der Chest Physiotherapy mit anderen nichtpharmakologischen Interventionen für die Sekretmobilisation untersucht. Studien zu Klopfungen und Klatschungen, die deren Wirksamkeit als isolierte Maßnahmen gegen eine Scheinbehandlung (Placebo) hinsichtlich des Zielkriteriums Vermeidung von Pneumonien prüfen, konnten nicht gefunden werden.
Zwei systematische Übersichtsarbeiten der Cochrane Collaboration sind im Kontext der klinischen Wirksamkeit manueller physiotherapeutischer Maßnahmen bei Patientinnen und Patienten mit Cystischer Fibrose erwähnenswert [3; 4]. Main et al. [3] untersuchen in ihrer systematischen Übersicht die Wirksamkeit von Maßnahmen zur Förderung der Sekretmobilisation mittels respiratorischer Physiotherapie im Vergleich mit anderen Maßnahmen wie etwa mechanischer, physikalischer oder durch die Patienten mit Cystischer Fibrose selbst angewendeten Maßnahmen. Ausgehend von einer quantitativ (15 Studien) und qualitativ eingeschränkten Studienlage (kleine Studienpopulationen, moderate bis stark limitierte methodische Qualität der eingeschlossenen Studien) konnten Main et al. keine Hinweise für eine klinische Wirksamkeit der isolierten, manuell erzeugten Thoraxerschütterungen gegenüber anderen Formen der Sekretmobilisation auf die Pneumonieprophylaxe zeigen.
Die Ergebnisse einer klinischen Studie von Bauer et al. [5] ergaben, dass nur 26% der per Telefoninterviews befragten Patientinnen und Patienten mit Cystischer Fibrose manuelle Formen der Sekretlösung gegenüber 46% mechanisch applizierte Perkussionen (etwa durch Vibrationsgeräte) des Thorax als Maßnahme bevorzugten. In der systematischen Übersicht von van der Schans et al. [4] wurde die Wirksamkeit respiratorischer Physiotherapie im Vergleich zu keiner physiotherapeutischen Intervention bei Patientinnen und Patienten mit Cystischer Fibrose untersucht. Nach der Auswertung von insgesamt sechs klinischen Studien (mit Cross-Over-Design, davon fünf Studien mit einmaliger Anwendung der Intervention und insgesamt 66 Teilnehmenden) schlussfolgern die Autoren, dass Techniken der spezifischen respiratorischen Physiotherapie im Vergleich zu keiner Physiotherapie einen verbesserten Abtransport von Mukosasekret ermöglicht. Die insgesamt stark eingeschränkte Studienlage und die sehr kurzen Studiendauern lassen jedoch keine Aussagen über die Wirksamkeit entsprechender Interventionen als Teil der Pneumonieprophylaxe zu.
Zur klinischen Wirksamkeit von Klopfungen oder Klatschungen für die Pneumonieprophylaxe bei chronischer Bronchitis konnte ein Review der Cochrane Collaboration aus 2008 (Update) identifiziert werden: Jones und Rowe [6] untersuchten die Frage, ob respiratorische physiotherapeutische Maßnahmen (Klopfungen in Kombination mit anderen Maßnahmen) im Vergleich zu keiner Intervention oder nicht-physiotherapeutischen Interventionen für die Sekretmobilisation bei chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen, Bronchiektasen und Chronischer Bronchitis effektiv sind. Auf der Grundlage von sieben methodisch schwachen klinischen Studien konnten statistisch signifikante positive Effekte zugunsten respiratorischer Physiotherapie bei chronischen Lungenerkrankungen hinsichtlich des Zielkriteriums Sekretmobilisation gezeigt werden. Die Studienlage lässt aber keine Aussagen zur Wirksamkeit von isolierten Maßnahmen wie Klopfungen oder Klatschungen auf die Pneumonieprophylaxe zu.
Zusammenfassend ist aufgrund der Literaturlage keine ausreichende Evidenz vorhanden, um belegte Aussagen zur klinischen Wirksamkeit isolierter Maßnahmen wie Klopfungen oder Klatschungen im Rahmen einer Pneumonieprophylaxe treffen zu können.
CINAHL, Cochrane Library, EMBASE/MEDLINE, Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE), Scottish Intercollegiate Guidelines Network (SIGN), Internetrecherche
percussion, clapping, pounding, manual techniques, chest physiotherapy, pneumonia, prevention, prophylaxis, cystic fibrosis, mucoviscidosis, chronic bronchitis
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